Opfer NS Platz der Luftbrücke

Zur Geschichte des Flughafens Tempelhof.
Als die SFU Berlin im Herbst 2013 ihr Quartier im Turm 9 des ehemaligen Flughafengebäudes Tempelhof bezog, wurde erstmals eine Universität auf diesem nicht nur innerhalb Berlins einmaligen und höchst geschichtsträchtigen Boden gegründet. Dieser Text zeichnet die lange und wechselhafte Geschichte eines Ortes nach, der über hundert Jahre lang durch die politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts, durch Krieg, Verfolgung, Zerstörung, Flucht und der Suche nach einem neuen, sicheren Zuhause für Millionen von Menschen geprägt wurde.
Schon 1896 war am nördlichen Rand des Tempelhofer Feldes in der (später dem Flughafengelände einverleibten) Prinz-August-von-Württemberg-Straße eine „Militär-Arrestanstalt“ mit 156 Zellen errichtet worden.
Ab dem Juli 1933 wurde dieses nunmehr in „KZ Columbia“ umbenannte Gebäude zu einem der ersten Schauplätze des nationalsozialistischen Terrors: In ganz Berlin durchkämmten SA-, Gestapo- und SS-Einheiten kurz nach der „Machtergreifung“ der NSDAP Berlin, um Juden und politisch Andersdenkende zu berauben, zu verhaften, zu verhören und zu foltern. Unter den Häftlingen im KZ Columbia befanden sich so prominente Personen wie Leo Baeck, Friedrich Ebert junior, Erich Honecker, oder Ernst Thälmann. In dem von der SS geführten „Columbiahaus“ waren hauptsächlich Angehörige der SPD und KPD untergebracht.
Im Juli 1933 wurden 80 Menschen hier inhaftiert, drei Monate später war ihre Zahl schon auf 400 angestiegen. Insgesamt waren zwischen acht- und zehntausend Männer an diesem Ort untergebracht, der als eine Art „Schulungsstätte“ für spätere KZ-Leiter fungierte, wie beispielsweise von Arthur Liebehenschel, der ab August 1934 im Columbiahaus als Wachmann eingesetzt war und im November 1943 Lagerkommandant im KZ Auschwitz wurde. Internationale Aufmerksamkeit erregte die erfolgreiche Flucht des SS-Wachmanns Hans Bächle mit zwei Häftlingen aus dem Columbiahaus im April 1935.
In der Tschechoslowakei gab Bächle ein Interview, in dem er über Misshandlungen, Prügelstrafen, Foltermethoden und Erschießungen im Columbiahaus berichtete. Die internationalen Proteste während der Olympischen Spiele, die 1936 in Berlin ausgetragen wurden und von der NSDAP-Führung gezielt für politische Propaganda ausgenutzt werden sollten, aber auch die Deportation von Häftlingen in periphere Konzentrationslager führten schließlich zur Schließung des KZ Columbia im November 1936.
Während sich in den Räumen der ehemaligen „Militär-Arrestanstalt“ nach 1933 der politische Terror hinter verschlossenen Türen vollzog, wurde das daneben liegende Flugfeld gezielt für die NS-Massenpropaganda benutzt. Über eine Million Menschen fanden sich am „Tag der nationalen Arbeit“ am 1. Mai 1933 am Tempelhofer Feld ein, um dem ersten landesweit per Rundfunk übertragenen Massenspektakel der NSDAP beizuwohnen. Wie kein anderer Ort eignete sich die weitläufige Fläche des Feldes als Bühne der Inszenierung für Hitler und Goebbels. Während die führenden Köpfe der Arbeiterbewegung verfolgt und inhaftiert wurden, usurpierte die NSDAP-Führung auch jenen Feiertag, welcher ursprünglich der internationalen Solidarisierung aller Arbeiter*innen dienen sollte.
Obwohl die Hallen und Abfertigungsräume des Tempelhofer Flughafens seit Mitte der 1920er Jahre laufend erweitert und vergrößert wurden, stieß man Anfang der 1930er Jahre auf Kapazitätsgrenzen, die einen völligen Neubau des Flughafens zum „Großflughafen“ Tempelhof notwendig erschienen ließen. Zeitlich fielen die Planungen mit Hitlers Vision der Errichtung einer Reichshauptstadt „Germania“ zusammen, die den uferlosen Machtanspruch des Nationalsozialismus auch städteplanerisch widerspiegeln sollte. Unter der Leitung von Görings Reichluftfahrtministerium und dem Architekten Ernst Sagebiel wurde im Juli 1935 mit der Planung für das damals flächenmäßig größte Gebäude der Welt begonnen.
Das Gebäude des Konzentrationslagers Columbiadamm wurde im Zuge der Bauarbeiten 1938 abgerissen. Heute erinnert ein Mahnmal an der Kreuzung Columbiadamm/Golßener Straße an die Opfer der NS-Verfolgung im KZ Columbia.
Nach Kriegsbeginn wurden Produktionsstätten der Weser-Flugzeugbau-AG und der Lufthansa in die Hangars am Tempelhof verlegt, obwohl der Bau des Gebäudes noch nicht abgeschlossen war (und auch bis Kriegsende nicht vollends fertiggestellt werden konnte). Tausende von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen aus Osteuropa, hauptsächlich aus Polen, Tschechien und Russland, wurden in Baracken am nördlichen Ende des Feldes untergebracht, wo sie unter unmenschlichen hygienischen Bedingungen für Bauarbeiten am Gelände und die Kriegsproduktion ausgebeutet wurden. Wie Grabungsarbeiten vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der FU Berlin zeigen konnten, lassen sich unter der Oberfläche des Feldes bis heute Überreste der Barackenlager aus dieser Zeit finden.
Als die Stadt Berlin immer häufiger von Bombardierungen betroffen war, wurde die Rüstungsproduktion vom Tempelhof ausgelagert. Dass das neue Flughafengebäude nur vergleichsweise geringe Beschädigungen aufwies, hing vermutlich damit zusammen, dass die Alliierten ausgewählte Gebäude von der Bombardierung so weit verschonten, dass sie später für die Unterbringung der eigenen Soldaten verwendet werden könnten.
Nach Kriegsende wurde der Flughafen Tempelhof im US-Amerikanisch besetzten Sektor Berlins als Militärstützpunkt eingesetzt, schon im August 1945 konnte der Flugbetrieb wieder aufgenommen werden.

Material: Acryl

Quellen*:
Gedenktafel in Berlin.de
SFU Berlin am Flughafen Tempelhof.de

Weiterführende Links*:
https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/nc/gedenktafeln/gedenktafel-anzeige/tid/opfer-des-nationalso-55/
https://www.sfu-berlin.de/de/ueber-sfu-berlin/sfu-berlin-am-flughafen-tempelhof/

* erfasst am 25.08.2021

Foto Opfer NS Platz der Luftbrücke

Inschrift:
Gewidmet den Menschen.
die von 1933 bis 1934 im SS-Gefängnis Columbiahaus
und denen, die von 1934 bis 1936 im KZ Columbia
gefangen gehalten, gefoltert und entwürdigt wurden.
Tausende Menschen waren hier der unvorstellbaren
Brutalität der SS ausgesetzt. Viele starben an den
Folgen der Misshandlungen. 1938 wurde das KZ
Columbia abgerissen.
Gewidmet den Menschen, die in diesem Flughafen und
auf dem Flugfeld von 1940-1945 in Zwangsarbeit für
die NS-Luftrüstung tätig sein mussten. Sie kamen aus
ganz Europa. Mit ihnen arbeiteten jüdische Berliner,
die 1943 im Rahmen der ”Fabrikaktion” nach
Auschwitz deportiert wurden,
Unmenschlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt,
mussten sie hungernd und frierend
Vergewaltigung und Krankheit ertragen.
Bei der Zwangsarbeit im Flughafen verloren sie ihre
Jugend und häufig ihr Leben.
Möge das niemals vergessen werden!


Adresse: Platz der Luftbrücke 5, 12101 Berlin
Anfahrt: U-Bahn 6 & Busse: 104, 248 "Platz der Luftbrücke"
frei zugänglich